Der Herr Diplom Ingenieur

#Audi #A8 #55TFSI #Quattro #Test

Grand Tirolia Hotel Kitzbühel. Audi A 8 55 TFSI Quattro. 9.00 Uhr

Ouvertüre. Wir möchten hier einmal ein Plädoyer für die Limousine im Allgemeinen und später im Besonderen halten. Wir mögen die repräsentative Aura, die selbst bis in die Ziernähte des Lenkrads spürbare Würde, und das fast souveräne Verrollen, ohne Oligarchen- oder Rapper-Odeur, pardon, wie bei einem fetten SUV. Brillanz oder staatstragende Erhabenheitals leichtfertige Selbstverständlichkeit verinnerlicht keine automobile Karosserieform mehr als die klassische Limousine. Im Notfall beherrscht sie auch die Kunst des eleganten Verschwindens. Was ja hin und wieder ganz hilfreich sein kann.

Zurück zum Objekt. Audi wirft man ja vor, Stillstand durch kein Design zu betreiben. Im ewigen Gerangel der Premiumhersteller, hält Audi derzeit verlässlich und konstant Platz 3. Das schmerzt beim Führungsanspruch. Dem steht allerdings mit 663.000 verkauften Einheiten in China, immer noch Platz 1 der Premiumhersteller, entgegen. Dem Markt, mit immer noch den grösstem Wachstumspotenzial on the long run, wen auch derzeit in einer Konsolidierungsphase und schwächelnd. Daraus könnte man schliessen, dass Design hier nicht über Sein oder Nicht-Sein entscheidet. Zumal Mercedes und BMW sich verstärkt asiatischen Ästhetik-Idealen durch überbordende Formen und insbesondere BMW, nicht zuletzt beim neuen 7er, mit exaltierter Betonung, der Designkonstanten, hier Doppel-Niere, versuchen verstärkt zu reüssieren.

Wie auch immer. Bei der Aussenbetrachtung des Audi A 8 denken wir sofort an Bauhaus-Design, die Avantgarde der klassischen Moderne. Die schnörkellose Stringenz der Charakterlinien, die coupèhafte Dachlinie das Brechen des morgendlichen Lichts an den Lichtkanten, fördert den Purismus des Gesamtauftritts und verleiht dem Audi A 8 gleichsam eine feinsinnige Eleganz. Das beruhigt das Auge wohltuend, vor allem im SUV-dominierten, innerstädtischen Strassenbild.

Wie man Licht richtig bricht.

Im Innern die Revolution_High Tech Lounge

Wir öffnen die Türe. Die Stringenz des klaren Designs setzt sich fort. Das Interieur schmeichelt dem Auge mit seinen griffigen Lederbezügen, Alcantara-Tapezierungen und offenporigen Holzdekors. Allerdings schickt die strenge, horizontale Architektur mit ihren Berührungsbildschirmen neben schwarzem Glanzkunststoff sowie die konsequente Reduktion von Tasten und Reglern selbst Gestrige in die Zukunft.Das Ambiente im Innenraum ist gleichermaßen nobel wie hoch technisch. Das heißt, die optische Umsetzung der Bedienoberfläche ist eindrucksvoll gelungen, die Bedienung selbst aber letztlich doch eine echte Herausforderung.

Stichwort Oberflächen: Dreh-Drück-Steller und Co. sind Geschichte, der A8-Besitzer toucht und schreibt mit spitzen Fingern auf Displays herum. Nicht auf irgendwelchen, nein, sondern in Glasoptik und rückmeldend. Auf Federn gelagert bewegen sie sich bei entsprechendem Druck per Elektromagnet um Haaresbreite. Buchstäblich. Dazu wird ein passender Ton eingespielt. Also auch nicht viel einfacher als früher – dafür putz-intensiver. Fingerabdruck-Phobikern droht beim vergeblichen Sauberhalten die Klapsmühle.

Immerhin, den guten alten Lautstärkeregler gibt es noch. So richtig zum Drehen, mit geriffeltem Rand und mechanischem Rasten. Etwas, auf das man bei Audi stolz ist, seitdem sich die Marke Richtung Premium drehte, und dem Establishment zeigte, wie Solidität geht.

Touch me

Noch unberührt. Dafür aber schon die erste Spiegelung des Fotografen.

Audi setzt jetzt auf Berührungen.Ein großes Display (10,1 Zoll) zeigt die Hauptfunktionen – Navi, Musik, Kontakte, TV, Parkhilfen. Ein kleines darunter (8,6 Zoll) verwaltet die Klimatisierung und erkennt Eingaben per Handschrift.Das System entziffert ganze Worte, selbst mit Sauklaue auf Kopfsteinpflaster. Beim Schreiben liegt der Handballen ruhig auf dem Automatik-Wählhebel. Die Suchfunktion ordnet erkannte Buchstaben klug ein und schlägt die richtigen Optionen vor. Allerdings: Manchmal deuten die Sensoren Wischbewegungen als Bestätigung. Gewöhnungssache.Alle Touchflächen melden sich bei der Eingabe akustisch und haptisch zurück. Audi pflastert das ganze Cockpit mit digitalen Bedienfeldern. Drum herum gibt es viel Klavierlack, feine Hölzer und weiches Leder. Oberklasse eben. Was an Knöpfen übrig blieb, klickt angenehm fest. Schade: Wo man nur berührt, bleiben Fingerabdrücke – trotz einer speziellen Beschichtung, die das verhindern soll.

Und zu ertouchen gibt es eine Menge. Zum Beispiel die Einstellung des Komfort-Individualkontursitzes (dessen Name Programm ist). Vor, zurück, Lehne und Massage geht konventionell an der Sitzkonsole, für den Rest muss man ins Menü. Was sich lohnt, denn nach Abschluss der persönlichen Konfiguration integriert der A8 seine Passagiere gekonnt – weder thronig noch zwickig. Das gilt für vorn wie für hinten, denn auch der Fond bietet ordentlich Platz und bequeme Polster. Gegen Aufpreis können sich Kunden der Langversion einen Liegesitz hinten rechts installieren lassen, der ihnen auf der Rückseite des dazugehörigen Vordersitzes die Füße wärmt und massiert. Einfache Deckenleuchten sind ebenfalls passé, der A8 prunkt mit Matrix-LED, also je sieben per Tablet steuerbaren Einzelelementen.

Vorsicht ist jedoch geboten wenn ihre Kinder freiwillig hinten einsteigen, dann auch noch das Smartphone in der Hosentasche lassen und sie vorne alleine sitzen. Haben die womöglich was ausgefressen? Nein, sie sitzen einfach im A8. Immerhin kann man da auf den teuren Rängen fernsehen. An den Kopfstützen sind Bildschirme angebracht, die sich noch dazu als Tablet zum Surfen missbrauchen lassen. Ein Handgriff und schon haben die Passagiere den Touchscreen in der Hand. Als weitere Beschäftigungstherapie fungiert dann das in der Mittelarmlehne verstecke Mini-Tablet (Rear Seat Remote). Über dieses handyartige Ding lässt sich auch das Schiebedach von den hinteren Rängen aus öffnen – bei Nieselregen findet das der Herr Papa wohl weniger lustig. Auch Rollo oder Klima lassen sich so steuern.

Andererseits läuft die komplexe Bedienung bis hin zur individuellen Ge-staltung der Ambientebeleuchtung oder der Assistenzfeatures gut – nicht zuletzt dank verständlicher Einzelmenüs und eindeutiger Beschriftungen, wenngleich mit teils etwas fummelig animierten Schiebereglern, die sich mittlerweile bis zur Steuerung der Lüftungsdüsen etablierten. Wir empfehlen allerdings, sich erst mal in Ruhe mit dem stehenden A 8 warm zu spielen, denn anders als bei mechanischen Reglern, die auch mäßig Begabte ohne hinzusehen bedienen, erfordert das Touchen beim Fahren Aufmerksamkeit.

Assistiert rundum

Dabei soll er seinen größten Aufschlag ja beim Thema Assistenz mit bis zu 40 Systemen (die unter anderem auf Abbieger, Radfahrer und Querverkehr achten) hinlegen. Obwohl er sein Level-3-Bukett inklusive AI-Staupilot voraussichtlich nicht vor 2019 entfalten darf – ein zeitweises Daherpilotieren klappt jetzt schon.

Novizen fühlen sich durchaus autonomisiert, wenn sie ihr Auto geschwindigkeitsregelt, ans aktuelle Tempolimit oder an die Streckenführung angepasst durch die Gegend chauffiert. Das Ganze mit aktiver Spurhaltung, die jedoch einen etwas ruckeligen statt homogen-geschmeidigen Eindruck vermittelt. Außerdem hat der A8 manchmal Probleme, die Randmarkierungen zu erkennen, oder entschuldigt sich für die partielle Abschaltung von Sensoren.

Erfreulicher: die hervorragenden LED-Matrix-Scheinwerfer mit blendfreiem Fernlicht, das Geraden, Kurven und Kreuzungen hell und gleichmäßig ausleuchtet (unter Mithilfe der Navi-Daten), den Gegenverkehr dabei vor Blendung verschont und das Thema Reichweite mit seinem zusätzlichen Laserlicht wegbeamt. Derweil sprachsteuert der Pilot diverse Funktionen, kann etwa die Temperatur anpassen oder Anrufe vorbereiten lassen, während er der vorher ans Auto geschickten Route samt den effizienzerhöhenden Tipps auf seinem TFT-Tacho folgt.

Luxus, Komfort und Dynamik

Sie haben recht, es reicht, Zeit zum Losfahren. Startknopf drücken, Wählhebel ziehen und ab.

Dabei nutzt der A8 sein 48-Volt-Bordnetz samt Riemenstarter-Generator und Lithium-Ionen-Batterie (10 Ah), das ihn zum sogenannten Mild-Hybrid macht, also ohne Extra-Stromboost auf die Antriebsräder.  Bereits jetzt und serienmäßig sind im A8 alle vier Räder angetrieben (Grundverteilung 40 : 60), gegen Aufpreis greift ein Sportdifferenzial durch gezielte Momentzuteilung an die Hinterräder bei Bedarf ins Handling ein.

Ins Handling eingreifen? Ein Fall für die Lenkung, die sich nie auffällig einmischt, gekonnt zum ausgewogenen Gesamteindruck beiträgt. Weder ölig-limousinig noch sportlich-spitz konzentriert sie sich auf das, was sie soll: einfach bloß lenken – selbst in der optionalen Variante mit Allradlenkung. Klasse, wie leicht sich der 5,17-Meter-Apparat positionieren lässt – ganz gleich ob in schnellen Kurven oder engen Baustellen. Was natürlich nichts an den tatsächlichen Abmessungen ändert, die von den mitlenkenden Hinterrädern jedoch ein wenig kaschiert werden. Etwa beim Rangieren per virtueller Radstandsverkürzung, die den Wendekreis um etwa einen Meter reduziert. Bei höheren Tempi erhöht sie gleichsinnig lenkend die Stabilität. Die Dynamiktests hakt der allradgelenkte 2,1-Tonner lässig ab, bremsen kann er wie ein Sportwagen.

Kitzbühel Downtown. Shopping Meile ahead. Aber off season.

Thema Stabilität und damit Auftritt fürs Fahrwerk, wenn auch nicht die erstmals angebotene vollaktiv und elektromechanisch arbeitende AI-Aktiv-Variante. Je nach Fahrerwunsch und Fahrsituation könnte sie jedes Rad separat über elektrische Aktoren be- oder entlasten und damit den Aufbau aktiv und optimal regeln. Beim drohenden Seitenaufprall höbe sie die Karosserie auf der Crashseite um acht Zentimeter an, böte dem Unfallgegner damit den stabilen Unterboden samt Schweller statt die weiche Flanke an.

Wer hier sitzt, macht und lenkt. Nur im Moment gerade nicht.

Wie Antrieb und Lenkung wurde die Federung einfach sauber abgestimmt, ohne effektheischenden Charakter in weder die eine noch die andere Richtung, wozu auch die stimmige Spreizung der Modi zwischen Komfort und Sport passt. Der Fahrer wird in jeder Situation angenehm mit der Straße verbunden, fühlt sich stets als Fahrer, nie als Passagier. Obwohl der A8 flüsterleise, flitzeschnell und reichweitenstark den ICE-Konkurrenten gibt, wenn nötig flott durch die Pylonen des Fahrdynamiktests zischt.

Vom Charakter eher sahnig als holzig, unterstützt dabei die bekannte ZF-Achtgangautomatik, die sich Audi tendenziell eher komfortabel als staubtrocken applizieren ließ. Zumindest softet der Antriebsstrang strenge Gaspedalkommandos gern etwas ab, vermeidet harsche Reaktionen. Selbst im Sportprogramm verkneift sich der Automat knochentrockene Doppelkuppler-Simulation oder nerviges Geruckel beim Langsamfahren oder Sporteln. Zudem kriecht er gekonnt durch den Stau, wechselt die Stufen beim Beschleunigen unauffällig wonneweich, trifft die richtige Übersetzung und unterstützt das antriebsfreie Rollen zwischen 55 und 160 km/h. Zum sogenannten Segeln spendierte Audi extra eine elektrische Ölpumpe für Gangwechsel auch bei ausgeschaltetem Motor. 

Im Testwagen muss es das Serienfahrwerk mit Luftfederung und Adaptivdämpfern richten. Es hält die Karosserie auch bei dynamischer Fahrweise ruhig, lässt die passende Menge an Bewegung zu, unterbindet Nachschwingen ebenso wie allzu harsche Stöße. Okay, kurze Knüffe auf Flickstellen und Querfugen in Verbindung mit dezentem Poltern kommen stets durch, doch sanfte Flauscher waren die großen Audi eh nie, und Nummer vier folgt konsequent dieser Tradition.

Wir widmen uns beim Ausgleiten dem Klang der 6.500 Euro teuren Bang-&-Olufsen-Anlage. Im Fond luftiger Raumklang mittels spezieller Lautsprecher, wird auch für die Besatzung im vorderen Teil ein nachhaltiges Klangerlebniss abgeliefert. Und stellen uns die Frage:“Wird der A8 nun zum rollenden Smartphone? “ Betontes Jein: Trotz moderner Optik und Bedienung wird die Revolution vertagt. Dafür bietet er neben jeder Menge Assistenzen standesgemäßen Komfort und sogar einen Hauch Dynamik in der Luxusklasse.

Was wir mögen. 
Luxus, Komfort und Dynamik bei nicht wahrnehmbarer Opulenz.

Was fehlt.
Ein ­gefülltes Bankkonto für den Kauf sowie ein Chauffeur, der stilecht vor der Türe wartet. Wobei. Eigentlich fährt man den A8 lieber selbst …

Was überrascht.
Die Wendigkeit dank Allradlenkung.

Wär perfekt, wenn ?

Wenn Level 3 schon möglich wär.

Competition
Die üblichen Verdächtigen

Mercedes S-Klasse, BMW 7er Reihe.

Wer will Jaguar XJ, Maserati Quattroporte, Cadilliac ATS-V Limousine.

Aber nicht so ernst gemeint da vermutlich ein anderer relevant set.

copy mk       images  beyondcoolmag Audi AG

Hinweis im Sinne der Corporate Compliance Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

AudiA8 55 TFSI Quattro

MOTOR

V6-Turbo

LEISTUNG

340 PS bei 5000 U./min

GETRIEBE

8-Gang-Automat

V MAX.

250 km/h

HUBRAUM

2995 cm3

DREHMOMENT

500 Nm

ANTRIEB

Allrad

SPRINT

5,6 s auf 100 km/h

MASSE LEERGEWICHT

L×B×H: 5172× 1945×1473 mm 1920 kg

VERBRAUCH CO2-AUSSTOSS

7,5 l/100 km 178 g/km

PREIS

95.150,00 EUR (D) 105.130 EUR (A)