Heritage Core

#country#lifestyle#preppychic#beyondcoolmag

Heritage core.

Lifestyle, der sich in zeitlosem Stilbewusstsein übt, hat als Heritage Core derzeit besonders gute Karten.

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Stiltyp: reicher Erbe.

Der neuerliche Anflug von Grossbürgerlichkeit in der Mode ist Grund genug, dass die amerikanische Zeitschrift „Harper’s Bazaar“ dem Phänomen einen Namen gab: „Heritage Core“ nannte die Autorin Kerry Pieri den Look, in Anlehnung an den gerade noch gehypten Normcore.

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Zum Verständnis der unübersetzbaren Wortneuschöpfungen:

Normcore steht für den massentauglichen Jeans- und T-Shirt-Look, Heritage Core eher für den Stiltypus„reicher Erbe“. Was beiden Cores gemeinsam ist: Die Mode macht mit neuen Begriffen lediglich wiederpopulär, was schon seit Ewigkeiten existiert.

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Wer auf verlässliche Weise gut und weltgewandt aussehen und vor allem nicht als trotteliges Trendopfer dastehen will, der halte sich denn an den Heritage Core. Der angestrebte Look pendelt sich irgendwozwischen US-amerikanischer Preppiness, britischem Landadel-Chic, Pariser Nonchalance und Kitzbüheler Naturverbundenheit ein – und ist dabei seltsam international und altersunabhängig. Denn das Beste daran ist: Seit Jahrzehnten gibt es einen festen Shoppingkanon für diesen Look, der sich über Generationenhinweg wie von selbst weitervermittelt (oder über Stilanleitungen wie Lisa Birnbachs legendäres „The Official Preppy Handbook“. Die besten Polohemden kauft man bei Ralph Lauren, Väter und Söhne tragen bunte Pullover von Gant, Mütter und Töchter flaches Schuhwerk von Unützer.

Gummistiefel für den Großstädterausflug in den Wald stammen von Aigle oder Hunter, in harten Fällenwird dazu ein Trachtenjanker kombiniert. Für Schmuck und Accessoires gibt man gern Geld aus, zum Beispiel sind Armreifen von Tiffany Standard. Die Trendverschiebungen sind marginal und kurzfristige Angelegenheiten: Mal wird der Kragen vom Polohemd hochgestellt, mal die Longchamp-Tasche lieber in der Armbeuge getragen als über der Schulter.

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Besonders beliebt unter Verfechtern des Heritage Core sind Marken, die auf eine lange Tradition zurückblicken können und deshalb in Geschmacksfragen als extrem vertrauenswürdig gelten. „Das ist fast wie bei Angela Merkel. Man vertraut ihr einfach deshalb, weil es sie schon so lange gibt. Das ist bei Marken wie Barbour oder Burberry genauso“, erklärt Gerd Müller-Thomkins vom deutschen Modeinstitut,das seitden 1950er-Jahren Trendentwicklungen beobachtet. Der Barbour-Jacke setzte Christian Kracht mit seinem Roman „Faserland“ 1995 sogar ein literarisches Denkmal, indem er sie zum Sinnbild bürgerlicher Distinktionsmechanismen machte.

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Zugegeben, eine Jacke zum identitätsstiftenden Moment einer ganzenGesellschaftsschicht zu erheben,mag lächerlich erscheinen.Genau darum gehe es allerdings den Verfechtern des modischen Konservatismus, sagt Gerd Müller-Thomkins: „Identität ist ein Kernbegriff unserer Gesellschaft. Einbestimmtes Paar Schuhe zeigt sofort: Ist mir Nachhaltigkeit und gute Qualität wichtig? Oder halte ich eswie diejenigen US-Amerikaner, die im Jahr 80 Kilogramm Textilien pro Kopf in den Müll schmeißen?“

Kleidung, die dem Stand entspricht. Zum Glück ist es ziemlich einfach, den eigenen sozialen Status per modischer Ausstaffierung abzustecken. Der Soziologe Heinz Bude hat dieses Phänomen einmal als „ständischen Instinkt“ bezeichnet. In demokratischen, pluralistischen Gesellschaften bliebe sinngemäß irgendwann nur noch der Lebensstil übrig, um sich mit Hilfe von Details wie einer Jackenmarke einem bestimmten bildungsbuürgerlichen Milieu zuordnen zu können. Und das bourgeoise Stilempfinden lädt Kleidungsstücke eben gern mit kultureller Bedeutsamkeit auf. Zur bestangezogenen Frau Deutschlands wählte etwa das Berliner „Achtung“-Magazin kürzlich beiläufig Prinzessin Elisabeth von Thurn und Taxis.Diese stilisiert ihre Fähigkeit, stimmige Outfits zusammenstellen zu können, zur familienintern tradierten Begabung hoch: Die Tochter von Gloria von Thurn und Taxis, Modejournalistin in New York, zeigt sich auf ihrem followerstarken Instagram-Account abwechselnd in Reiter-Montur, Vintage-Chanel-Kostümen ihrerMutter und Designerkleidern junger Labels, die sie einer Kunstmäzenin gleich fördert.

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Nur Shopping ist eben zu wenig. Das machen lediglich Modebloggerinnen, die sich ohnehin schon baldwieder von ihren Gucci-Schätzen und ihren Chanel-Pumps verabschiedet haben werden, die emotionaleBindung an ein Produkt ist da ja bei vielen von kurzer Dauer. Darum wird wohl bald der Preppy-Look wieder seinem angestammten Fanclub gehören, für den er viel mehr bedeutet als ein #outfitoftheday aufInstagram. Die Barbour- Jacken und Goldlogos müssen als soziokulturelles Rüstzeug herhalten können, das ein wohliges Gefühl der gesellschaftlichen Zugehörigkeit vermitteln soll – zu denen, die inAltbauwohnungen mit Parkett und Stuck wohnen, die ihre Bücherschränke nicht nach Farben sortieren, dieihre Familienfotos in Silberrahmen auf das Fensterbrett stellen, seit Jahren in denselben Urlaubsort fahrenund die Hilfsprojekte für Fluüchtlinge unterstü̈tzen, weil sich ein bisschen Charity irgendwie auch gehört.

Der fortwährende Rückbezug auf die eigenen Wurzeln, auf das Elternhaus, selbst, wenn man es dort kaumausgehalten hat, ist schon immer ein so fragwürdiges wie gleichzeitig liebenswertes Charakteristikumdieses Milieus gewesen.

Deshalb wird der Heritage Core, oder unter welchen Namen auch immer der Look künftig auch firmieren mag, nicht so bald aussterben.

-Ends-

copy Anne Devaullier               images RalpLauren,Hunter,Chanel,Tiffany,Longchamps, LandRover

 

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