Stier im Sturm

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06:52,01 steht für die Zeit, die Marco Mapelli benötigt hat, um mit dem Lamborghini Huracán Performante die legendäre Nürburgring-Nordschleife zu umrunden – was zu dem Zeitpunkt einen neuen Rekord bedeutet hat.

640 PS (30 PS mehr als der normale Huracán), 1382 kg schwer (somit 40 kg leichter als ein normaler Huracán),                 0 auf 100 in 2,9 Sekunden, Spitze 325 km/h.

In der Zwischenzeit hat den Huracan ein McLaren P1 LM mit der Zeit von 6:43,2 getoppt, gesteuert vom Indy-500-Gewinner Kenny Brack, der den modifizierten McLaren über die Ziellinie steuerte. Fünf Exemplare des eigentlich für  die Rennstrecke gedachten McLaren P1 GTR hat Lanzante für Kunden in den USA, in Japan, in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Großbritannien als strassentaugliche Version gebaut. Das 986 PS starke Rekordauto fuhr laut Hersteller nach getaner Arbeit auf eigener Achse heim nach Großbritannien. Nur um die Dimensionen ein wenig gerade zu rücken. Für den Preis eines McLaren P 1 LM gehen sich locker fünf bis sechs Lamborghini Huracán Performante aus.

Früchte des Zorns

Kurzer Rückblick-Lamborghini als Marke ist ein Kind des Zorns. Wir erinnern uns: Verantwortlich für die Eskalation war ein Streit zwischen Ferruccio Lamborghini, einem Traktorenfabrikanten, und Ferrari-Chef Enzo Ferrari. Lamborghini hatte einen Ferrari gekauft – und war unzufrieden. Die Kupplung seines Ferrari muckte, und die Werkstatt fan keine Lösung. So fuhr Ferruccio Lamborghini. nach Maranello zu Ferrari. Auf seine Kritik reagierte der Marken-Chef jedoch so hochnäsig, dass Lamborghini beschloss, Ferrari zu zeigen, wie man einen guten Sportwagen baut.Der Traktorfabrikant Ferruccio Lamborghini ärgerte sich dermaßen über die Arroganz von Enzo Ferrari, dass er mit seiner eigenen Sportwagenproduktion begann.Die Wut der Geburtsstunde wurde über die Jahre konserviert und unter Audi-Führung kultiviert. Lamborghini wirkt mutiger im Design, heftiger im Auftritt, und bietet scheinbar mehr von allem. Zylinder, Antriebsräder, PS.

Das Design des Huracán stellt dabei den diametralen Gegenentwurf zu den eher runden, konklaven Formen eines Ferrari F 488 GTB, oder McLaren 720 S dar. Kantig statt rund. Brutal statt geschmeidig. Ein Stealth-Fighter für die Strasse quasi, leider aber ohne Abschirmfunktionen gegen Radar. Ein Geschau-süddeutsch für Hingucker- war der Huracan bisher, besonders als Spyder allemal. Jetzt als Performante in seiner zugespitzten Form, macht er sich auch den Wind zum Freund.

Bruder des Windes

ALA heisst das Zauberwort der aerodynamischen Spitzenperformance des Lamborghini Huracán Performante Aerodinamica Lamborghini Attiva (ALA), auf das die Lamborghini-Jungs herrausragend Stolz sind. Die Aerodinamica Lamborghini Attiva (ALA), wobei ALA das italienische Wort für Flügel ist. Dieses von Lamborghini patentierte und für den Huracán Performante entwickelte System, bietet eine aktive Verteilung der aerodynamischen Last, entweder für hohen Abtrieb oder für niedrigen Luftwiderstand. Das System ist in Bezug auf Design, Gewicht und Leistung vollständig in das Fahrzeug integriert.

Das ALA-System besteht aus zwei über einen Elektromotor angesteuerten Klappen im Frontsplitter sowie einer zweigeteilten Luftführung durch den Heckflügel. Über zwei Luftschlitze im Heckdeckel bahnt sich dabei die Luft durch Kanäle den Weg in den Heckflügel, in dem sich zwei Luftkammern befinden. An der Unterseite des Flügelprofils tritt die Luft dann wieder durch einen schmalen Schlitz aus. Ähnlich wie in der Frontschürze wird auch der Luftstrom in die beiden Luftkammern des Heckflügels durch zwei von Elektromotoren betätigten Klappen unterschiedlich gesteuert.

Die dadurch deutlich verbesserte Querdynamik soll unter anderem ein völlig neu entwickeltes Aerodynamikkonzept verantwortlich sein. Sichtlich stolz erklärt der Entwicklungschef das aktive Aerodynamiksystem „Das ALA-System reagiert blitzschnell innerhalb von zwei Zehntelsekunden“, erklärt Antonio Torluccio, Chefaerodynamiker bei Lamborghini. Die aktive Aerodynamik arbeitet, je nachdem welches Fahrprogramm gewählt wird sowie welche Längs- und Querkräfte anliegen, unterschiedlich. Ähnlich wie im normalen Huracán stehen auch in der Performante-Version mit den Modi Strada, Sport und Corsa drei verschiedene Fahrprogramme zur Auswahl.

Und wie funktioniert die aktive Aerodynamik genau? Bei aktiviertem System („ALA on“) öffnen sich die Klappen im Frontsplitter und in den beiden hinteren Luftkanälen, welche die Luftkammern im Heckflügel anströmen. Luftwiderstand und Abtrieb werden dadurch, beispielsweise für bestmögliche Beschleunigungswerte, reduziert. Um maximalen Abtrieb zu erzielen werden die Aero-Klappen an Front und Heck geschlossen („ALA off“).

Eine Besonderheit des ALA-Systems, auf welche die Lamborghini-Entwickler besonders stolz sind, versteckt sich hinter dem Begriff Aero Vectoring. Im Corsa-Modus wird dabei in Kurven der Abtrieb am Heck stärker auf die kurveninnere Seite verteilt. Dafür schließen die Klappen der kurveninneren Seite, während die der  kurvenäußeren Seite geöffnet bleiben. Durch diese trickreiche Aerodynamik und den unterschiedlich stark durchströmten Heckflügel entsteht ein Giermoment, welches das Fahrzeug stabiler in die Kurven drücken soll. Jetzt ist auch klar, warum der Heckflügel zwei voneinander getrennte Luftkammern besitzt. Die Aero-Vectoring-Funktion arbeitet ausschließlich im Corsa-Modus und ist zwischen 70 und 310 km/h aktiv.

Auf der Rennstrecke wechselt die ALA-Strategie auf einer Runde mehrmals. Während der Abtrieb am Heck in Kurven jeweils auf die kurveninnere Seite verteilt wird, öffnen auf Geradeauspassagen die Klappen des aktiven Aerodynamiksystems an Vorder- und Hinterachse, um Luftwiderstand sowie Abtrieb zu minimieren und einen bestmöglichen Topspeed zu erzielen. Bei Anbremsen auf eine Kurve schließen die Klappen des ALA-Systems an Vorder- und Hinterachse wieder blitzschnell, um ein stabiles Anbremsverhalten bei maximalem Abtrieb und Luftwiderstand zu erreichen. Das alles regelt die „Lamborghini Piattaforma Inerziale“ (LPI) die alle elektronischen Systeme des Fahrzeugs in Echtzeit, mit perfekter Integration des ALA- Systems. Es sorgt für die Aktivierung der ALA-Systemklappen in weniger als 500 Millisekunden und gewährleistet so ein optimales aerodynamisches Set-up des Fahrzeugs in allen Fahrbedingungen. Auf dem 12,3 Zoll großen Instrumentendisplay lässt sich das links unten jederzeit verfolgen.

Bei ausgeschaltetem ALA sind die Klappen geschlossen, und der Heckflügel dient als traditioneller fester Spoiler. Die Stabilität wird durch maximalen Abtrieb bei hoher Kurvengeschwindigkeit und beim Bremsen deutlich verbessert, und zwar um 750% im Vergleich zu einem Huracán ohne Heckflügel. Da kommen Porsche, Ferrari und Co ein wenig ins staunen.

Brute force

Das Cockpit fasziniert beim Reinschlupfen durch Intensität von Atmosphäre und dichter Kleinteiligkeit. Das Hexagon ist allgegenwärtig, vom Bodenteppich bis zur Schalterform, wirkt dennoch nie übertrieben. Raffiniert zu echter Dreidimensionalität der üblicherweise faden Schalterlandschaft von Klima, Menü, Info geformt. Doch wir hegen ehrfürchtiges Interesse für die ROTE KLAPPE, mit der Fingerspitze anzuheben, ehe man den Startknopf einpresst. Was jetzt geschieht, ließe sich nur in lyrischen Versmaßen beschreiben. Der Zehnzylinder springt dir geschmeidig in den Rücken, alles gerinnt zur Gegenwart, jeder Moment ein Momentum. 5,2 Liter Hubraum bei völliger Absenz von Turboladern. 640 PS. 600 Newtonmeter Drehmoment.

Das Farbdisplay hinter dem frottierten Lederlenkrad ist von erstklassiger Farbintensität, mit dem Aufpoppen der Zahl 1, sobald man am rechten Paddle gezogen hat, treten wir, rechter Fuß voran, ein in das Reich der Sinne.

Das Fahrdynamiksystem ANIMA an der unteren Speiche von Strada über Sport in Corsa und ESP deaktiviert.Launch Control ist nun scharf und regelt die Drehzahl auf 4500U/min ein. Los geht´s. Agressives Einkuppeln des Getriebes, dass es den Allrad wiklich braucht um schlupffrei davon zu hechten. Handgestoppte 2,8 sec auf 100 km/h. Hoppala. Lamborghini zeigt wo der Bartl den Most holt. Was aber nur ein Teil der Beschleunigungsorgie darstellt. Ca. 8,4 Sekunden von 0-200 km/h. Bitte sehr. Für mehr fehlte uns der Raum.

Ernsthaft schnell, fokussiert und spannend trifft auf außergewöhnlich gebührend und nachsichtig. Es ist ein fiktiv perfektes breites Spektrum an Assets für einen Supersportwagen, um das Fahrverhalten des Huracán Performante zu umschreiben Die Elemente der Fahrdynamik verschmelzen dabei nahtlos. Sicher ermöglicht AIA und das damit verbundene Air Vectoring diesen fahrdynamischen Evolutionssprung, der den Huracán Performante spurgenau einlenken lässt, ohne einen Hauch von Untersteuern, wie etwa beim Huracán LP 610-4. Die Keramikbremse verzögert dabei punktgenau, wenn auch der Pedalweg bei extremer Belastung, etwa auf der Rennstrecke etwas länger wird, der Brems-Performance aber keinen Abbruch tut, wobei dabei das ideal regelnde ABS mit unterstützt. Dabei ist das Faszinosum immer wieder der Motor, der beisst und beisst, und schiebt und schiebt, als gäbe es keine Drehzahlbegrenzer.Allerdings erst so richtig ab 4000 U/min. Die kurze Gesamtübersetzung des 7-Gang Doppelkupplunggetriebes hilft jedoch mit ultrakurzen Schaltzeiten darüber hinweg. An diesem Punkt möchten wir mal wieder eine Lanze für am Lenkrad befestigte, sich mitdrehende Schaltpaddels brechen möchten. Bei feststehenden Paddles muss man hin und wieder Umgreifen. Schaut euch mal im Rennsport um, lieb Lamborghini Ingenieure. Entschuldigt seit ihr dabei nur durch die Genussintensität eures Saugmotors. Kein Turbolöchlein oder -bums. Nähmaschinenhaftes Drehzahljubilieren. Gut das es das bei Lamborghini noch gibt.

Dabei bemerkt man bei beherzter Herangehensweise, die Eingriffe des AIA als leichtes Kribbeln im Popometer. Man muss sich erst daran gewöhnen, das jetzt kein Haftungsabriss bevor steht, und ein Abfangen unnötig ist, da das Heck eben doch keine Eigendynamik entwickelt, sondern das Gegenteil, also Haftungsaufbau, im Gang ist. Dem Huracán Performante ist insgesamt ein hohes Grip-Niveau zu attestieren. Die Adaptivlenkung arbeitet dabei mit variabler Übersetzung, immer sehr direkt, aber nicht zu spitz mit guter Rückmeldung.

Urban Check.

Zu meinem Erstaunen besitzt der Huracán performante veritable Flanier-Fähigkeiten, man kann sich durchaus die tägliche Bürofahrt vorstellen. Eine gewisse Antizipations-und konzeptionelle Vorgehensweise in Sachen Parkraum ist aber sicherlich angebracht, aber die Türschwellersitzrückwärtspublikumswirksam Fahrritte aus Countach-Zeiten sind passé. Dafür gibt´s heute Rückwärtsfahr-Kamera. Hilfreich in Parkhäusern ist sicher auch der sinnvolle Vorderachslift.Es gibt auch ein 100 Liter-Kofferräumchen und etwas Stauraum hinter den Sitzen. Neben den schon erwähnten, leider feststehenden Schaltpaddles, gibt´s noch fummelige Türgriffe, und die Betätigung der Blinker, des Fernlichts, sowie der Scheibenwischer an den Lenkradspeichen. Deren unschlüssige Ergonomie zeigt wohl, das Italiener Autos immer noch gern, nach Motor, Fahrwerk und Karosserie, zum Ende hin, lässig konstruieren. Ein bisserl Schwund ist halt immer.

shortcut

Was wir mögen ?
Immer wieder das Stealth-Fighter Design von Lamborghini. Aufregend anders.

Was fehlt ?
Morgens die Gardesana, die Küstenstrasse am Gardasee, James Bond erfahren und mit unzähligen Tunneln. Mittags dann auf den Col de la Bonette, der höchsten Passstrasse Europas, hinauf zu stürmen.

Was  überrascht ?
Die Wirkung von AIA.

Wär perfekt, wenn ?
siehe Was fehlt ?

Competition
Ferrari 488 GTB. McLaren 720 S. AMG GT-R.Alle Doppel-Turbo. Und auch die letzte Ausbaustufe des 911 GT 3 wenn´s um die Rennstrecken-Hatz geht.

-Ends-

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Technische Daten

Motor V10-Saugmotor Hubraum (cm3) 5204 Leistung in PS (KW) bei U/min-1 640 (471) bei Max. Drehmoment (Nm) bei Umin-1 600 Nm bei U/min Höchstgeschwindigkeit (km/h) 325 Beschleunigung 0-100 km/h (sek.) 2,9 Getriebe 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe Antrieb Allradantrieb Treibstoffsorte Super Plus Verbrauch EU-Drittelmix (l/100 km) 13 Gewicht, Herstellerangabe (kg) 1380 Preis (Euro) 232.100,00 € Abgasnorm Euro 6

Hinweis im Sinne der Corporate Compliance Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen

Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen

seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur

Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.