Basic instinct

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Ein Manifesto wieder der Spirale aus Mehrgewicht und Mehrleistung

Wer sich für E-Connectivity,Apple-Car, Autonomes Fahren, welches Level auch immer, Burmester oder Harman-Kardon Sound-Systeme vorwiegend interessiert,sollte ab hier nicht weiterlesen. Oder doch.

Hier geht es um eine der letzten Bastion des analogen Fahrens. No frills, wie es im Marketing heisst. Keine Schnörkel oder Girlanden. Keine Assistenzsysteme oder ABS. Motorradfahren mit 4 Rädern. Unverfälscht, pur,und auch nix für Wetterfühlige. Wir fahren den Caterham Super Seven 1600.

Das leichteste automobile Toy for big boys derzeit. Die einzige Prämisse ist-kein Gewicht. Gut, man kann sich im Zubehör und der Konfiguration austoben. Dazu am Ende mehr. Aber das Mantra von Caterham heiss add lightness-nichts was man nicht noch leichter designen könnte-getreu dem Leitsatz von Colin Chapman, dem Gründer von Lotus, und dem geistigen Vater des Lotus Super Seven. Des Urahn der heutigen Caterhams. Caterham führt heute hauptsächlich die DNA der superleichten Lotus Seven der dritten Serie fort.

Rustikale Radikalität

Bevor wir reinschlüpfen und losfahren, hier noch ein paar Worte zur Philosophie des Caterham. Hier geht es um das Pure, das Unverfälschte. Der Gegenentwurf zur Spirale aus Mehrgewicht und Mehrleistung. Um die Essenz des Autofahrens. Um das Spüren der Fahrbahn. Um das Inhalieren der Fliehkräfte.Und ja, es gibt tatsächlich noch Leute, die der Witterung im Auto ausgesetzt sein wollen. Und die findet man nicht nur bei Oldtimer-Rallyes. Die Unwissenden mögen weiterhin in ihre elektronikverseuchten Schüsseln einsteigen und sich per Fahrdynamikprogramm vorgaukeln lassen, was sie für tolle Fahrer sind.

Einen Caterham muss man sich erfahren, man erobert ihn. Als Zugeständnis an Vorschriften gibt´s eine beheizbare Windschutzscheibe. Die Lüftung ist ein Entgegenkommen.

Das Limit ist der Fahrer

Wir fahren. Erst einmal gleiten wir in nun in das um elf Zentimeter breitere und acht Zentimeter längere SV genannte vergrößerte Chassis.Insbesondere den Breitenzuwachs wissen Menschen mit großen Füßen zu schätzen.Die Zeiten, in denen sie ihre Füße in extraschmale Schuhe einschnüren mussten, sind damit vorbei. Und auch die gewachsene Länge ist einladend. Personen bis zu einer Größe von zwei Meter sollen in dem Super Seven bequem Platz finden. Wer es knapper mag, kann die kleinere Chassis-Ausführung S3 ordern. Wir starten mit dem Startknopf, den man irgendwo in der Kippschalterlandschaft findet. Irrelevantes wie Lüftung, Licht, Blinkerbedienung und Scheibenwischer auch.

Den kurzen Schalthebel muss man mit Schmalz durch die Gassen führen, die aber klar definiert sind. Der Sinnesrausch beginnt. Es kreischt, dröhnt und flattert, dass man vor Entsetzen zittert, noch lange bevor der Grenzbereich erreicht wäre.

Ohne Servolenkung, Bremskraftverstärker, ABS und ESP tastet man sich vorsichtig an die Reserven des Caterham ran. Dabei ist der Caterham keine Zicke. Den mit dem Moto-Lita Classic Lenkrad der Classic-Version eingeleiteten Lenkbefehlen, folgt der Caterham in all seiner Kompomisslosigkeit. Man muss sich allerdings zärtlich an die Rohheit heran tasten. Sonst beisst schon mal das leichte Heck. Findet man den Rhythmus, ist der Caterham ein unglaubliches Kurvenskalpell, welches so manchem Sportwagen der Neuzeit schon  bei der Verfolgung ins Graining kommen lässt.

Der Caterham weiss einen mit zu Reissen wie eine Steinschleuder ihr Geschoss. Der Sigma-Motor brüllt seinem Fahrer die Gänsehaut wieder straff, wenn ab 4500 u/min der Punch kommt und bis 8500 Umdrehungen das Inferno dein Begleiter ist.

Das Thema Komfort kann man also aussparen, vor allem wenn sich nähernde Baustellen-Durchfahrten,den Bandscheiben ein vorauseilendes Stossgebet entlocken. Das ist vielleicht ein bisserl ungehobelt, aber letzt endlich konsequent. Auf jeden Fall zeigt es der Caterham heute noch den verbliebenen jungen Wilden, die mehr mit Carbon-Brimborium zu beeindrucken versuchen, was manchmal so unangemessen wirkt, wie Radlerhosen mit Beinen, die von Krampfadern übersäht sind, und zeigt Ihnen auch gerne mal das Heck.

Aber auch mit nur 137 PS bleibt der Caterham in Sachen Agilität und Lebendigkeit weitgehend unerreicht. Die Lenkung funktioniert auf Zuruf, das Bremsgefühl lässt einen den englischen Begriff „stopping power“ sofort verstehen, und generell wirkt es so, als wäre ein Caterham erst fertig gebaut, wenn der Fahrer drinsitzt. Mehr Verbindung zwischen Mensch und Maschine scheint jedenfalls nur schwer vorstellbar.

Das Fahrwerk besteht aus doppelten Dreieckslenkern vorne und einer DeDion-Achse hinten.Bei den schärferen Varianten, optimiert für enthusiastischere Straßen- oder Rennstreckenausfüge gibt es dann als Schmankerln noch ein mechanisches Hinterachs-Sperrdifferential, ein einstellbares Bilstein-Fahrwerk, einen verstellbaren Hinterachs-Stabilisator, Vierpunktgurte, jede Menge Carbon an Karosserie und Cockpit.

Retro Revival

In Sachen Heritage-Modelle hat Caterham gute Erfahrung – abgesehen davon, dass ein Caterham an sich als direkter und legaler Nachfolger des Lotus Super Seven von 1957 eigentlich schon pure mobile Nostalgie ist. Die letzten auf Geschichte getrimmten Modelle waren der Sprint und der Super Sprint – aber nur in insgesamt je 60 Stück gebaut mit 95 PS starkem Suzuki-Dreizylindermotor und direkt ausverkauft.

Die von uns gefahrene jüngste Ausprägung kommt nun mit 136 PS starkem 1,4-Liter-Ford-Sigma-Vierzylinder. Der Motor schlürft das Benzin als turboloser Einspritzer und macht dabei Töne wie ein Großer. Die Show sind zwei angedeutete K&N-Luftfilter, die wie einst aus der langen Haube herausragen, aber nur Retro-Fake sind, weil bei einem Motor mit DCOE-Drosselklappeneinspritzung keine Weber-Vergaser darunter sitzen können.Eine englische, aber lustige Skurillität mit Fun-Faktor. Die Idee ist dem englischen Spezialisten Jenvey Dynamics zu verdanken.

Und die Annahme, dass 136 lächerliche PS ein Anachronismus unserer Zeit sind, können wir bei 565 Kilo Gewicht locker ins Reich der Mythen schicken: Denn auch damit kann man auf den Avon-ZT7-Pneus in weniger als fünf Sekunden auf 100 km/h sprinten, und von knapp 200 km/h im offenen Roadster ist ein Erlebniss um noch seinen Enkeln zu erzählen.

Diese Drosselklappeneinspritzung sorgt dabei für 70er- Jahre-Rallye-Sound – ein Knurren, ein Brummen, ein Brazzeln, aber alles ohne Auspuffklappen und elektronische Soundgenerierung. Die Schaltwege des Fünfganggetriebes sind so kurz wie der Gedanke ans Aussteigen, und die Lenkung ist direkter als die Blicke von Passanten. Vor allem, wenn die nicht glauben können, dass ein neues altes Auto ganz neu auf alt getrimmt wurde.

Erstmals auch ist ein Super Seven wahlweise mit kleiner (S3) und mit größerer Karosserie (SV, 2.450 Euro extra) zu haben. Letztere misst elf Zentimeter mehr in der Breite und acht Zentimeter mehr in der Länge. Bei einem Auto, das normalerweise knapper sitzt als ein zu heiß gewaschener Tanga, ist das eine Menge Platz. Außerdem sind im SV-Modell der Tank und das Kofferraumabteil größer. Gegen Aufpreis von bis zu 1.160 Euro kann man das Fahrwerk rennmäßig aufrüsten, auch LED-Lichter sind zu haben (930 Euro).

Zu den weiteren Optionen gehören eine stärkere Bremse vorne (795 Euro) und diverse Farben bei Teppichen und Sitzen, innen ist alles mit Leder ausgeschlagen. Selbst das Dashboard kann gut behäutet werden. Das (345 Euro) teure Moto-Lita Holzlenkrad (Serie: schwarzes Lederlenkrad) ist purely British-Retro Car-Style, die traditionellen Smith-Instrumente,schauen sie auch mal bei James Bonds Aston Martin DB 5, sind mit Chromringen verziert. Statt des üblicherweise verwendeten Kunststoffes bestehen Verdeck und Persenning aus Mohair. So ein Wetterschutz kostet aber auch einen Aufpreis: 1.725 Euro inklusive Seitenfenster. Die Basis-Version gibt es für 44.024 Euro.

Die langen fest mit der Karosserie verbundenen Front-Kotflügel (Flared Wings) sind beim Super Seven 1600 jetzt als Hommage an den Ur-Seven wieder vorhanden. Zwischenzeitlich wichen sie kleinen beweglichen Bauteilen (Cycle Wings), die beim Einschlagen der Räder mitlenken. Zwar gab es die festen Kotflügel hin und wieder, so beim 1996 auf der Birmingham Motor Show vorgestellten Jubiläums-Modell 40th Anniversary, aber sie waren eher selten.Wer jedoch die Cyclewings bevorzugt, kann sie ohne Aufpreis ordern.

Wie so oft, ist aber das Bessere der Feind des Guten. Das Nachfolgemodell steht schon, ausgerüstet mit einem Ford Duratec-Motor mit 150 PS in den Startlöchern.

Eine weitere neue Spielart ist der neue Caterham Seven 170.Der leichteste, aber auch des kleinste je gebaute Caterham. Er soll vor allem die japanischen Key-Car-Regularien erfüllen. Japan ist ein wichtiger Markt für die Briten.Die Breite des Seven 170 schrumpft dabei auf nur noch 1.470 Millimeter. Unter der langen Haube sorgt ein Dreizylinder-Turbobenziner mit 660 Kubikzentimeter Hubraum für Vortrieb. Das typische Key-Car-Aggregat aus dem Regal von Suzuki leistet 84 PS und stellt 116 Nm Drehmoment bereit. Klingt nach wenig, reicht aber dennoch für beeindruckende Fahrleistungen. Den Sprint von null auf 100 km/h schafft der Winzling in 6,9 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit für den offenen Zweisitzer wird mit über 160 km/h angegeben. Geschaltet wird per manuellem Fünfgang-Getriebe. Das Antriebsmoment fließt dabei ausschließlich auf die 155 Millimeter breiten Hinterreifen, die auf 14 Zoll große Alufelgen gespannt sind. Der Seven 170 ist aber auch ein Saubermann. Der Antriebsstrang erfüllt die Euro 6-Vorgaben, den CO2-Ausstoß beziffern die Briten auf 109 g/km. Zu haben ist der Seven 170 je nach Markt als Bausatz oder Komplettfahrzeug.

Caterham-Händler Kurt Hoffmann vom Autohaus Hoffmann & Rink aus dem rheinland-pfälzischen Dierdorf verschafft allen die bei der Zusammenstellung ihres Caterham ins Kind im Bonbonladen-Syndrom verfallen,die Orientierung in der Sonderausstattungsliste.

Info https://www.caterham.de/

Die Caterham-Seven-Cars sind für sportliches Kurvenräubern mit extremem Leichtbau gemacht – das freie puristische Fahrgefühl ist mit dem anderer Sportwagen kaum vergleichbar. Gut, das Caterham am Ball bleibt und seine Modellpalette sogar ausbaut.

Was wir mögen ?

Puristischer Fahrspass,ikonisch, radikal und britisch cool.Agil, aufgeweckter Motor, spielerisches Fahrverhalten.


Was fehlt ?

Wie immer bei solchen Spassautos. Mehr Zeit zum Ausfahren.

Was  überrascht ?

Colin Chapmans Geist lebt weiter.


Wär perfekt, wenn ?

Blöde Frage. Will der Caterham nicht sein.


Competition

Alles was pur und offen ist wie Ariel Atom, BAC Mono etc. Die sind preislich aber schon wieder über drüber und wenig mit Retro behaftet.

-Ends-

copy mk images beyondcoolmag

Technische Daten

Caterham Super Seven 1600

Vierzylinder 1.600 ccm

101 kW (136 PS) bei 6.800/min

165 Nm max. bei 4.100/min

Fünfgang-Handschaltung

Hinterradantrieb

3.180/1.575/1.090 L/B/H mm

Leergewicht 565 Kilo

Aufhängung und Fahrwerk

Doppel-Dreiechslenker vorn

Hinten DeDion-Achse, einstellbarer Stabilisator

Scheibenbremsen rundum

195/50 R15 14-Zoll

195/50 R15 14-Zoll

0–100 km/h: 4,9 s

196 km/h Vmax

Basispreis 44.024 Euro

Hinweis im Sinne der Corporate Compliance Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.